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Im Pflegedienst gibt es eine Vielzahl an operativen Bereichen, in denen eine wirtschaftliche Optimierung möglich ist. Bei Kunden und Touren, aber auch im Büro gibt es häufig Potenziale für mehr Effizienz oder Angebotsanpassungen.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingen (zum Beispiel die Tariftreueregelung) zwingen den Pflegedienst, die Prozesse und Strukturen zu überdenken und anzupassen. Potenziale (strategisch) und Wirtschaftlichkeitsreserven (operativ) sollen dabei offengelegt und Maßnahmen eingeleitet werden. In einem ersten Teil zu diesem Thema wurden die wichtigsten Ansatzpunkte(die „Big Five“) vom Grundsatz her angesprochen und erläutert, Das war ein Ansatz. Ein weiterer, sich gegebenenfalls überschneidender Ansatz ist die Hinterfragung bei den Tätigkeiten beziehungsweise in den Betriebsbereichen des Pflegedienstes (PD), verbunden mit der Frage, was passiert wo richtig oder falsch?
Nachfolgende Effekte werden in Anlehnung eines PD mit den Umsatzanteilen von jeweils 50 Prozent SGB XI (einschließlich SGB XII) und SGBV, jeweils in Höhe von 600.000,00 Euro
gerechnet.
Folgende Fragen stellen sich.
Lösungen:
Effekt: Wenn 2 Minuten bezogen auf die Stunde (3,33 Prozent) Leistungen zusätzlich hätten abgerechnet werden können, wäre dies ein Mehrumsatz von 20.000,00 Euro (bezogen auf den Basisumsatz von 600.000 Euro).
Nimmt der Kunde „zu viel“ Zeit in Anspruch? Ein Beispiel könnte sein, dass die vorgegebene Zeit wird nicht eingehalten.
Lösungen:
Grenzen Sie Leistungen inhaltlich von nicht nach SGB XI finanzierten Leistungen ab. Ebenso grenzen Sie Leistungen, die nicht auf die Pflegeperson bezogen sind, ab.
Effekt: Beispiel: 250 Stunden (zu 35,00 Euro / hier nur die Personalkosten) eingesetzte zusätzliche Arbeitszeit ergibt 8.750,00 Euro Mehrkosten.
Übernehmen Sie Leistungen des Verordnungsmanagements?
Lösung:
Effekt: 50 Kunden nehmen diesen Service in Anspruch, ergibt 25,00 Euro x 50 x 12 Monate = 15.000,00 Euro Zusatzeinnahmen.
Sind die Fahrzeiten zu lang?
Lösungen:
Gemischte Touren überprüfen Sie gesondert.
Effekt: Reduzierung der Fahrzeiten um 1,5 Minuten in der Stunde vermindern die Personalkosten (PK) im Außendienst um 2,5 Prozent, bei 796.000,00 Euro (unterstellte gesamte Pflege-PK) ergibt dies 19.900,00 Euro.
Je nach Fahrzeugtyp können Sachkosten gespart werden.
Bitte keine Rundungen! Die Einsatzzeit ist gerechnet. Es ergibt sich beispielhaft eine Einsatzzeit von 29 Minuten.
Lösung: Die Einsatzzeit wird nicht auf 30 Minuten gerundet!
Effekt: Nur eine (!) Minute Rundung nach oben in der Stunde (1,66 Prozent) bedeutet Mehrkosten bezogen auf die Pflege-PK (siehe oben bei 796.000,00 Euro) von 13.267,00 Euro.
Alle reden von der wirtschaftlichen Touren- und Einsatzplanung – was ist mit wirtschaftlichen Prozessen außerhalb der eigentlichen Pflege?
Sämtliche Arbeiten im Büro sollten konkreten Tätigkeiten zugeordnet und hinterfragt werden.
Lösungen:
Effekt: Einsparung einer halben Stelle (unterstellte Arbeitgeberkosten) 25.000,00 Euro.
Ein besonderes Augenmerk gilt den Organisationszeiten – z. B. bei der Übergabe im PD, Nachbereitung der Tour im PD und so weiter.
Eine Lösung hierzu: Geben Sie eine Wochenarbeitszeit, z. B. für Übergabe usw., vor. So verteilt sich die tatsächliche Arbeit je nach tatsächlichem Anfall.
Effekt: Einsparung der Übergabezeiten in der Woche von 30 Minuten (bei 10 Touren pro Tag, hier rechnerisch bezogen auf 5 Einsatztage) ergibt eine Kosteneinsparnis von 0,5 Std. x 10 x 52 x 40,00 Euro (unterstellter Personalkostenmix ohne Gemeinkosten und Zuschlag für Risiko, Rücklage und Gewinn) 10.400 Euro.
Die „offenen Posten“ nicht doppelt verwalten!
Die Überwachung der Zahlungseingänge zu Rechnungen kann über die Finanzbuchhaltung erfolgen und muss dann nicht parallel im Abrechnungsprogramm erfolgen.
Lösung bei ausgelagerter Buchführung:
Die PD-Software ist die eigentliche Arbeitsmaschine, die bei den hier beschriebenen Prozessen und insgesamt im Controlling unterstützen sollte. Sie ist die wichtigste Informationsquelle, die Sie über die maßgeblichen Kennzahlen (aktuelle) informiert.
Ohne effektive Nutzung der Pflegedienst-Software ist eine wirtschaftliche Steuerung des Pflegedienstes nicht möglich.
Lösung: Nutzen Sie das richtige Programm und nutzen Sie das Programm richtig!
Effekt: Ohne EDV geht gar nichts!
Die EDV rechnet Ihnen positive Ergebnisse vor, die BWA (Betriebswirtschaftliche Auswertung) zeigt Verluste – kann das sein? Ja! Die BWA spiegelt, bei korrekter Buchführung, das „richtige“ Ergebnis wider. Das kann bei der PD-EDV anders sein. Die BWA baut auf realen Zahlungen auf, die PD-EDV arbeitet dagegen kalkulatorisch. Eine mögliche Schwachstelle ist die Hinterlegung des kalkulatorischen Stundenkostensatzes.
Lösung: Hinterlegen Sie den „richtigen“ und auch zukunftsbezogenen Stundenkostensatz in der PD-EDV.
Effekt: Die Touren- und Einsatzplanung rechnet mit einem „falsch“ kalkulierten Stundenkostensatz von 53,00 Euro – richtig wären 56,00 Euro. Es fehlen 3,00 Euro in der Std., bedeutet 5,66 Prozent bezogen auf 53,00 Euro und anteiligen Umsatz von 600.000 Euro. Im Endeffekt 33.962,00 Euro fehlender Umsatz.
Starre Arbeitszeitvereinbarungen führen oft zu „Minusstunden“ und/oder zu nicht nutzbaren Umsatz-Potenzialen. Dadurch können vermeidbare Personalkosten entstehen bzw. mögliche Einnahmen nicht generiert werden.
Lösungen:
Effekt: Personalkosten können beispielsweise ggf. nicht verrechnet werden. 100 bezahlte Minusstunden ergibt (100 x 40,00 Euro s.o.) 4.000,00 Euro.
Vergütungen werden für eine große Anzahl der PD durch Ihre Berufsverbände verhandelt. Das ist soweit gut.
Lösung: Wenn allerdings die (notwendigen) Kostenstrukturen eine wirtschaftliche Betriebsführung nicht ermöglichen, empfiehlt es sich, individuell mit den Kassen zu verhandeln.
Effekt: Ein Beispiel: Ein angebotener Punktwert 0,075, verhandelter Punktwert 0,079 macht einen Mehrumsatz von 5,3 Prozent bezogen auf 600.000,00 Euro Umsatz in Höhe von 32.000,00 Euro aus.
Das „Zahlenspiel“ soll ein Gefühl dafür vermitteln, welche Effekte entstehen können. Die Effekte werden hier sehr positiv bewertet. Überprüfen Sie gern selbst. Wenden Sie die Grundüberlegungen auf Ihren Pflegedienst an und rechnen Sie. Da könnten sich erstaunliche Erkenntnisse ergeben.
Soweit ein konkreter Einstieg in mögliche Maßnahmen, die Sie relativ schnell umsetzen können bzw. die sofort angegangen werden können. Sie werden feststellen, dass die Pflegedienst-EDV eine zentrale Rolle bei der Wirtschaftlichkeitssteuerung spielt. Hierüber wird weiter berichtet.
Ich höre schon die Stimmen der Bedenkenträger: „So einfach ist das nicht!“. In der Tat, Zahlenspiele allein helfen nicht. Die eigentliche Arbeit liegt in der genauen Analyse und der Umsetzung der Maßnahmen – einschließlich der Überzeugung der Mitarbeiter für Veränderungen.
Meine Empfehlung: Fangen Sie motiviert an, seien Sie der Controller Ihres Betriebes – ob PDL und/oder Geschäftsführer. Zu den angesprochenen Themen zu oben finden Sie genügend tiefgehende Literatur – insbesondere im Sortiment des Vincentz Networks.
In den Beispielen zu oben wird auf zunächst aus der Vergangenheit ermittelten Kosten aufgebaut (siehe Divisionskalkulation, Teil I). Auf eine jeweilige aktualisierte Anpassung wurde verwiesen. Auf das Basisverständnis kann jetzt aufgebaut werden. In einem Folgebeitrag wird ein zukunftsbezogener (insbesondere Personalkosten-) Ansatz vorgestellt. Bei permanent steigenden Kosten ist eine Gegenfinanzierung zeitnah notwendig!
Dieser Artikel stammt von Rainer Berg, Dipl. Betriebswirt und Steuerberater. Laden Sie sich den kompletten Artikel als PDF herunter: PDF-Download